1991

ich kam nachts nach hause und schaltete mich wie gewohnt noch in den fernseher : plötzlich brach der golfkrieg los.

ich sass vor dem apparat.

dann wusste ich nicht  recht, ob ich ins bett gehen sollte oder nicht. stand auf, lief herum, setzte mich wieder, schlief auf dem sofa vor dem fernseher, um am frühen morgen in mein bett zu kriechen, damit ich den tag wie immer beginnen konnte: spät aufstehen, kaffee,  zeitung, arbeiten.

trotzig beschloss ich, dass die arbeit kunst besser sei als die arbeit krieg.

sobald meine arbeit vorbei war, wandte ich mich dem krieg zu: zeitung, radio, TV. manchmal zwang ich mich abends auszugehen, um nicht völlig in den apparat zu kriechen.

als jedoch israel beschossen wurde, sprecherinnen mit gasmaske aktuelles

kommentierten – juden mit gas bedroht wurden – plötzlich – wieder nachts – vor dem fernseher – heulte ich vor panik los.

von da an schaute ich morgens vor der arbeit kurz in den apparat.

ich arbeitete: am tisch, im leeren raum, im wasserraum, im staubraum; mit bleistift, fingerfarben, aquarell und kreide: pflanzen und geschwüre mit geschlossenen augen, frauen, tiere, köpfe und atombomben mit offenen augen. den fotoapparat hatte ich vor dem fernseher fest eingerichtet, um Iuftbilder zu erwischen, die ich später in öl verarbeiten könnte: das schönste bild war die brandkatastrophe in bophal, das in einer jubiläumssendung über die grössten umweltunfälle der letzten 10 jahre gezeigt wurde.

ich telefonierte mit meinen verwandten in israel. sie sagten: dass ihre tochter nach der arbeit jeden abend aus tel-aviv ins kibbuz schlafen komme, dass mein onkel beim ersten versuch mit der gasmaske fast erstickte und sie daher nie benütze, dass die ganze familie  sich beim alarm mit gasmaske im zugeklebten zimmer aufhalte, dass sie die scuds vom kibbuz aus sehen und mit ihrer neuen Videokamera aufnehmen würden.

wütend arbeitete ich: schon gewöhnte ich mich an diese tägliche panik, an diese telefonate nach israel, an diese völlig unterschiedlichen diskussionen mit eltern, freundinnen und freunden, an diese öffentlichen peinlichkeiten deutschsprachiger männlicher intellektueller- da war dieser krieg plötzlich zu ende.

ich fasste sämtliche arbeiten dieses zeitraumes zu «KRIEGSRAUM» zusammen, einem  zeitlich geordneten raum, und legte ihn weg. ich fing wieder am tisch und von vorne an: verstopfte mir die ohren, zeichnete/malte ALLES mit geschlossenen und offenen augen –keine ordnungen – keine gesetze, naturalistisch und nicht, erklärend und nicht, illustrativ und nicht, politisch und nicht, sentimental und nicht – und dazu: atombomben, verarbeitungsstätten, in fingerfarbe ertastete geschwüre und tanzende männer, in kreide  ertastete und gelesene frauen, tiere, Iandschaften, und die Iuft, oder die möglichkeit der pflanzen.

ich fasste diese arbeiten zu verschiedenen zeitlich geordneten räumen zusammen: ’nachkrieg (was fehlt)‘, ‚1 weiblicher monat (nachkrieg)‘, ‚WAS FEHLT (nachkrieg)‘ und so weiter.

meine eltern wurden älter, meine freundinnen und freunde mir fremder. die arbeit

kunst war besser als die arbeit krieg.