PICASSO w

soldaten (männer)

wägelchen

koffer

wasserkanister

holz

sarajevo

weinende frauen

picasso

WAS  MICH  ANSCHAUT

 

 

 

seit jahren sehe ich soldaten soldaten schauen mich an aus dem fernsehen zuerst im golfkrieg noch viel früher bevor ich einen fernseher hatte sah ich weniger soldaten ich sah soldaten vor allem aus der zeitung aber vor allem seit ich einen fernseher habe schauen mich soldaten an aus dem fernseher und am auffälligsten waren die soldaten im falklandkrieg krieger die man kaum sah noch auffälliger waren die soldaten im golfkrieg krieger die man kaum sah wie aus einem werbefilm weil es ein verbot gegeben hatte ein verbot soldaten bei der arbeit zu zeigen oder nur bei der arbeit wenn sie diese arbeit an maschinen an elektronischen maschinen verrichteten die sie nicht bei der tötungsarbeit zeigten sondern beim drücken eines knopfes beim steuern riesiger maschinen doch sah man nicht das resultat obwohl die kamera auf dem projektil montiert war sah man das resultat eigentlich nur vom projektil her das heisst eigentlich nur von der maschine her nicht von der person des soldaten der natürlich nicht nur gebäude in die Iuft sprengte mit diesem projektil sondern auch personen.

 

eigentlich erst bewusst sah ich soldaten oder schauten mich soldaten aus dem fernsehen an als dieser jugoslawische krieg losbrach als junge rambos soldaten die aussehen wie silvester stallone aus dem film stolz erklärten dass sie prämien bekommen wenn sie vom umkreis von den hügeln von sarajevo von den bergen von sarajevo aus auf Ieute in sarajevo schiessen und dass die prämie je höher ist desto höher desto höher desto kleiner das zu treffende ziel ein kind ein hund eine katze sogar gibt eine grössere prämie als eine erwachsene person.

 

diese rambos schauten mich an aus meinem fernseher genau gleich wie im film ein rambo oder ein schwarzenegger oder ein terminator nicht nur der ausdruck dieser jungen gesichter war interessant sondern es waren ja männer es waren ja männer es waren ja männer sondern die insignien also die kleidung die diesen rambotypen ausmachen das schweisstuch das sportlich geknüpfte nastuch um den kopf herum dieser kopf mit stirnband der für mich den kopf des soldaten heute ausmacht eines weissen soldaten eines westlichen soldaten oder mitteleuropäischen soldaten ein soldat ein mann der völlig verwildert.

 

diese soldaten sind für mich im moment jetzt heute eines der bilder des mannes eines der bilder die mich anschauen und die ich als künstlerin mich als künstlerin anschauen die ich als künstlerin die ich versuche darzustellen die ich versuche die ich versuche darzustellen.

 

 

diese soldaten schauten mich an als ich das nach madrid übertragene hingetragene hintransportierte guernica ansah anschaute das hinter panzerglas gesichert von soldaten umrahmt zwei rechts und links von guernica es waren zwei wahrscheinlich polizisten guardia civil die aber ich glaube dieselbe montur haben wie die von picasso so verhasste faschistenmiliz ich schaute auf guernica das pferd die glühlampe die glühbirne und die schreienden frauen das grau des bildes das schwarzweiss des bildes und diese zwei soldaten starrten zurück in den raum in ihrer funktion des bewachens starrten sie die zuschauer an und die zuschauerinnen die wiederum das bild anstarrten das im grunde genommen einen politischen zweck hatte insofern dass picasso das gemalt hatte weil die stadt guernica zerbombt worden war durch faschisten mit hilfe der nationalsozialisten aber die zwei soldaten die dieses bild bewachten bei dem picasso die bedingung gestellt hatte dass es erst zurückkommen sollte wenn der faschismus in spanien aufhöre und das bild ist nach seinem tod glaube ich jedenfalls nach dem tod francos nach spanien zurückgekommen also starrten mich diese zwei jungen soldaten die zwei männer noch in der alten uniform der guardia civil an und das ergab eine absurde situation.

 

ich hatte guernica gesehen noch im museum of modern art da hing es einfach so da da hing es da wie es halt so war ein bild das ich eigentlich es war ein bild an dem ich die glühbirne und das pferd das pferd mich daran erinnerte dass ich am liebsten immer als jugendliche nur pferde gezeichnet hätte es war ein bild das etwas zeigte von dem ich glaube man kann es nicht zeigen das sind weinende frauen es war ein bild das mich daran erinnerte dass das pferd mein Iieblingstier war als jugendliche wie für sehr viele mädchen das pferd das ich wirklich geritten habe wie sehr viele jugendliche mädchen das pferd das ich lieber streichelte berührte striegelte als ritt und vor allem ansah eigentlich liebte ich das pferd vor allem anzuschauen das pferd war mir ein rätsel das pferd war unheimlich und wenn ich diese glühbirne mit diesem pferd auf dem bild guernica sehe ist es noch unheimlicher.

 

als kind plante ich ein ganzes auto ich plante es ganz in meinem kopf und führte es am nächsten tag in karton aus es war eher ein wägelchen in karton und klebstreifen es wurde tatsächlich fertig was selten war da ich schon als kind sehr schnell und ungeduldig war dieses wägelchen war meine erfindung es war meine eigene erfindung weil ich mir die nacht vorher vor dem einschlafen genau bis ins detail überlegte wie man ein solches wägelchen bauen müsste damit es wirklich aussieht wie ein wägelchen aus dem fernseher während dieses jugoslavischen krieges schauen mich aus dem fernsehen aus dem fernseher im fernsehen sehe ich wägelchen fahrzeuge aller art die wasserkanister holz koffer beutel und überhaupt die Iebensware tragen die die personen in sarajevo oder in anderen besetzten orten schleppen müssen da keine verkehrsmittel mehr benutzbar sind weil es dort fast nichts mehr gibt ich sehe mir das oft an jeden abend jeden abend sehe ich diese wägelchen muss an dieses wägelchen denken das ich erfunden habe und das eigentlich doch so gar nicht erfunden ist sondern ein wägelchen ein ding mit rädern ein fahrzeug ist eines überlebens ein überlebensgegenstand ebenso wie der wasserkanister ein überlebensgegenstand ist ein moderner überlebensgegenstand aus plastik den ich wenn ich ihn im laden sehe ziemlich hässlich finde und gleichzeitig habe ich inzwischen eine liebe zu ihm entwickelt er ist ein überlebensgegenstand ebenso wie merkwürdigerweise holz ein überlebensgegenstand ist obwohl ich natürlich weiss dass mit holz geheizt wird habe ich damit nie verbunden dass eine ganze stadt ihre bäume absägt weil kein anderes heizmittel vorhanden ist weil das heizmittel das holz nur noch holz ist nicht baum im garten baum in der allee ich habe in einer allee gelebt jedesmal wenn ich aus dem haus kam waren da diese bäume hinten die gärten tönt idyllischer als es war diese bäume diese bäume haben mir von berlin zurückkommend im januar februar haben sie in diesem zu frühen frühling basel südlicher als berlin in diesem frühen frühling haben mich diese bäume dazu gebracht pflanzen zu zeichnen mit geschlossenen augen immer pflanzen im frühling frühlingspflanzen im sommer sommerpflanzen im herbst herbstpflanzen im winter winterpflanzen am boden kniend kauernd blind besser gesagt mit geschlossenen augen habe ich mich diesen pflanzen verwandt gefühlt und habe diese pflanzen mit geschlossenen augen in kreide gezeichnet.

 

in dieser zeit war in basel die ausstellung »picasso- braque« die zeit der zusammenarbeit dieser zwei maler braque malte zeichnete sehr viele bäume pflanzen picasso fast keine es scheint vielleicht stimmt es vielleicht nicht er scheint wenig pflanzen zu kennen er kennt wenig pflanzen keinen draht zu pflanzen oder wenig aber aber die paar pflanzen die paar bäume in dieser ausstellung

überwältigten mich die paar pflanzen die paar bäume waren das wesen der pflanze waren pflanzen-wesentlich waren baum-wesentlich waren durch seine art und weise zu malen weitaus pflanzlicher als durch die eher geistige art zu malen von braque schnell gelangweilt hörte picasso mit den pflanzen wieder auf picasso war für mich immer einer der vor allem tiere und menschen zeichnete malte oder wie auch immer die tiere und die personen tiere und die frauen tiere und die frauen und die männer die tiere die kinder die frauen die männer und vielleicht die tiere die frauen die männer die kinder in einer umgebung vom bett übers atelier arena bis zum meer und da ich als kind eher natürlich logischerweise wie viele kinder tiere am liebsten hatte hatte ich auch die tiere von picasso am liebsten obwohl sie mir unheimlich waren aber sie deckten sich mit meinen beobachtungen im zoo neben dem wir wohnten und wo die tiere wenn man genau hinsah zurückschauten die tiere eigentlich sehr unheimlich waren vor allem die hyäne deren geruch manchmal bis zu unserem haus drang die hyäne hatte diesen schrägen gang beim laufen die eule die weisse eule die schneeeule die in einem alten häuschen wohnte die eule vor der ich lange stand um zu warten bis sie endlich den kopf drehen würde ihre grossen augen aufmachen würde und mich anschaute als wüsste sie mehr als ich selbst die eule erschreckte mich genauso.

 

wenn ich an sarajevo denke denke ich an das gepäck an die koffer nicht nur an das wägelchen sondern ich denke an diese flüchtlingsströme an diese ströme von Ieuten die ich besonders am anfang im fernsehen sah oder abgebildet merkwürdig genug alte koffer mit sich schleppend bündel als wären sie aus dem zweiten weltkrieg oder sah ich den zweiten weltkrieg die eigentlich obwohl sie Ieute sind wie ich obwohl sie Ieute sind wie wir hier in basel oder in zürich oder wien merkwürdigerweise wenig diese neuen rucksäcke trugen die wir ja alle haben die in der nähe von bergen wohnen und auch sarajevo in den bergen sondern sie hatten wieder als wäre es nicht anders möglich wenn man flieht bündel alte koffer wenn sie glück hatten wägelchen schlitten velos wo sie alles draufpacken konnten wenn nicht dann tragen sie die merkwürdigsten säcke dann tragen sie säcke zusammengeschnürtes und auch was sie auf dem kopf was sie als kleidung haben aber vielleicht dass ich falsch hinschaute ist insofern merkwürdig dass es wolle sogenannte alte materialien sind als hätte es dort nie firmen gegeben wie „patagonia“ oder „jack wolfskin“ oder „the north face“ als hätte es dort nie diese firmen gegeben die diese nasa-stoffe die wir alle in den bergen brauchen oder beim sport und die sicher auch von den Ieuten in sarajevo tuzla und so weiter gebraucht wurden wenn sie sport machten aber vielleicht waren diese flüchtlinge vor allem bauern und ärmere die diese kleider nicht haben die auf eine praktische art und weise wärmen und vor allem leicht sind fluchtleicht merkwürdig auch die alten rucksäcke und überhaupt es schien als würde der begriff flüchtling Ieute die plötzlich flüchten müssen auf der ganzen welt gleich aussehen sei es in afrika sei es in indien sei es in china in tibet sei es in vietnam sei es in südamerika und halt jetzt wieder in europa flüchtlinge sehen auf der ganzen welt gleich aus gebeugt schleppen sie sich daher die kamera schaut auf die augen das gesicht und das gesicht schaut auf eine leere erschöpfte art zurück und mir in mein zimmer.

 

sarajevo ist für mich dasselbe sarajevo ist für mich eine andere qualität hat eine andere qualität als die kriege zuvor ich habe mich immer mit kriegen beschäftigt naturgemäss jüdisch vielleicht auch weiblich und obwohl vollständig in der schweiz geboren bin ich im bewusstsein aufgewachsen dass es diese möglichkeit gibt dass Ieute kriege lostreten dass Ieute menschen personen männer vor allem plötzlich aus dem nichts kriege lostreten auf andere losschiessen auf andere loshauen und die anderen vielleicht in dem fall wir müssen flüchten der jugoslawische krieg und das zeichen sarajevo hat diese qualität eine neue eine neue qualität hat für mich etwas neues weil es sich um Ieute handelt die wie wir sind es ist nicht so weit entfernt es ist sehr nah es ist trotzdem sehr nah obwohl ich nie dort war ist es sehr nah es ist zu nah obwohl zynisch scheint wenn weiter entfernte sachen weiter entfernte kriege weniger wichtig sind aber es ist verlogen zu glauben unwahr dass es keine unterschiede gibt ungenau es ist ein grosser unterschied ob ein krieg in europa stattfindet oder anderswo trotz des sogenannten globalen dorfes es ist eben nicht so dass alle bilder die mich aus dem fernseher anschauen gleich werden es ist eben nicht so es ist mir bewusst dass bilder aus somalia dieser dünnen völlig verhungerten personen dunkeln personen dass diese bilder trotzdem trotz ihres grauens trotz der sterbenden mir weiter entfernt sind obwohl sie elektronisch gleich nah sind wie bilder aus sarajevo.

 

vorstellen kann ich mir den ähnlichen effekt als der sogenannte bürgerkrieg in spanien losging obwohl dort noch kein fernsehen keine elektronischen obwohl es dort noch kein sogenanntes globales dorf war es auf intellektuelle einen ähnlichen effekt gehabt haben muss wie für uns intellektuelle und politisch denkende Ieute einen ähnlichen effekt haben muss gehabt haben muss wie für uns heute dieser jugoslawische krieg haben muss speziell sarajevo als zeichen genauso wie guernica als zeichen eines absoluten horrors einer schuld eines versagens daher der wille etwas dagegen tun zu wollen in den kräften wie jeder und jede persönlich kann picasso war nicht ein politischer ein politkünstler in dem sinn dass er ideologisch übernahm illustrierte anprangerte aber er ist in meinem sinn ein politischer künstler weil er ein ganz einfacher künstler ist weil er die dinge die um ihn geschehen sieht und malt so einfach ist es eben so einfach und gleichzeitig ist natürlich das was man um sich sieht dermassen überwältigend bis ins letzte detail dermassen viel dass man auch diese schnelligkeit bekommt die picasso hatte er ging jeden tag in sein atelier und malte wie irrsinnig in schnellem tempo und zeichnete das ist das wesen der zeichnung irrsinnig schnell malte in einem irrsinnigen tempo machte skulpturen in einem irrsinnigen tempo das hat damit zu tun dass er einfach darstellen wollte was er um sich sah und das war dermassen überwältigend jeden tag dazu gehörte die information aus seinem spanien über greueltaten im sogenannten bürgerkrieg kein bürgerkrieg sondern ein probelauf des faschistischen denkens des faschistischen denkens und militärischen handelns der faschisten ein probelauf bei dem der nichtfaschistische der europäische teil der nicht faschistisch war kläglich versagte weil er diesen probelauf als bürgerkrieg abgetan hat ich kann mir vorstellen dass dieser krieg für viele Ieute ein schock war darum sehr viele auch zum handeln sich zum handeln gezwungen sahen insofern dass sie dorthin gingen und sich in den brigaden sich gegen die faschisten engagierten und kämpften andere die zuhause blieben weil sie sich unfähig sahen zu kämpfen so wie ich zum beispiel wäre aber blieben zuhause aber suchten formen diesen horror diesen krieg zu kommentieren oder darzustellen in diesen bereich gehört für mich guernica als kommentar zu diesem krieg nicht mehr nicht weniger.

 

merkwürdig an guernica und nicht nur an guernica ist der versuch picassos weinende frauen zu zeichnen malen heulende schreiende weinende frauen eher doch weinende frauen das sind diese frauen die mich auch heute aus dem fernseher anschauen allerdings sind die frauen die heute weinen anders angezogen sie haben ein tuch über dem kopf wenn sie weinen wenn sie ihren sohn ihren mann ihren bruder ihre angehörigen zu grabe tragen ein tuch über dem kopf aber die geste dieser frauen ist genau diesselbe wie bei den weinenden frauen von picasso nur die weinenden von picasso haben elegante hütchen diese art mantillas diese spanischen durchwobenen tücher mit spitzen leichte tücher spitzenhandtücher spitzennastücher die sie verknüllen mit ihren fingern mit ihren händen sie sind also vom outfit her sehr elegant was man von den heutigen frauen die mich aus dem fernseher anschauen nicht sagen kann sie sind in ärmliche tücher eingehüllt bäuerlich muslimisch eingehüllt oder auch einfach arm während diese spanierinnen sehr elegant sind das hütchen ist gleichwertig wie das heulen und das hat mich verblüfft es ist das weinen an sich das picasso darstellen wollte glaube ich und trotzdem sind die hütchen gleich wichtig picasso war wichtig dass das hütchen gleich wichtig war wie die hand und das tüchlein und die augen und die tränen ein leidenschaftliches bild für weinende frauen der weinenden frauen.

 

diese weinenden frauen sah ich in der ausstellung »picasso nach guernica« in berlin während eines der höhepunkte des krieges in jugoslawien alltäglich wurden mir bilder gezeigt kommentiert schauten mich aus dem fernsehen folter konzentrationslager vergewaltigungenvon frauen und mädchen an frauen die ihre angehörigen zu grabe trugen die diesen ausdruck picassos weinender frauen im gesicht hatten eigentlich einerseits aus dem fernseher schauten mich diese bilder an andererseits habe ich in den zeitungen fotografien gesehen die mich verfolgten und ab denen ich dann versuchte serien zu machen indem ich diese fotografien direkt abzeichnete zum teil auch aus dem gedächtnis und zu diesen arbeiten gehört auch dass ich eine postkarte dieser weinenden von picasso abgezeichnet habe weil ich sicher war dass es haargenau mit dieser situation übereinstimmt dieser europäischen situation wieder dieser schande.

 

als kind schaute ich immer in bücher meine eltern hatten dieses buch »antlitz des ruhmes« mit fotografien berühmter männer und frauen es gab einige frauen aber vorwiegend männer selbstverständlich besonders künstler und picasso es gab ein bild von picasso wo er mit hut den mantelkragen hochgeschlagen hat man sieht nur die augen ich wollte natürlich werden wie alle diese personen es ist ganz klar ich wollte schon sehr früh künstlerin werden natürlich dachte ich nicht im traum daran dass es einen unterschied gäbe zwischen künstlerinnen und künstlern ich wollte künstler werden ich wollte wie picasso ich dachte das sei das schönste das grösste dieses leben jeden tag ständig ins atelier gehen etwas tun malen bauen so wie ich das wägelchen geplant hatte in der nacht vorher und nacher habe ich das wägelchen gebaut und war sehr zufrieden mit meinem wägelchen meine mutter war sehr zufrieden mit meinem wägelchen alle waren immer sehr zufrieden wenn ich etwas tat in dieser richtung und so wollte ich schon sehr früh künstler werden wie picasso auch weil er so gut aussah mit seinen gestreiften T-shirts ausserdem wohnte er im süden am strand am meer.

 

diese informationen bezog ich aus fotografien nicht aus bildern aus fotografien die ich gierig hinunterschlang ich dachte als künstler müsse man so leben picasso das urbild diese fotografien die eine sehr fröhliche ausstrahlung haben weil immer auch frauen kinder tiere dabei sind ein südliches ein schönes leben das ich als erwachsene leben wollte auch wenn in dieser zeit meine vorbilder täglich wechselten blieben über längere zeit diese drei picasso giacometti munch munch mein pubertäres vorbild dieses düstere diese jugendlichen frauen dieses unaussprechlich fliessende dramatische und die schatten vor allem hinter den personen kranke tote in betten liegende schreiende die mich anschauten zerfliessend auf dem LSD-trip giacometti die gegend das bergell der bürgermeister des ortes in dem wir jeden winter waren der mit giacometti in die schule gegangen war ich kannte alles sehr genau und auch da das aussehen dieses schönen mannes fast noch schöner als picasso ich wollte werden wie giacometti weil er beim atelier in den bergen wohnte in der grossstadt und immer jeden tag in sein atelier hinüber ging und alle diese informationen waren wiederum über fotografien bestätigt diese fotografien schauten mich an durch dieses anschauen wollte ich werden wie diese männer ich habe sehr lange keinen unterschied zwischen frau und mann gekannt ich wünschte jedem kind es würde diesen unterschied nicht machenmüssen erst mit 23 ca. habe ich wirklich wahrhaftig gemerkt ich kann gar nicht werden wie picasso wie giacometti wie munch ich werde ein anderes leben führen ich werde ein anderes leben leben wie ich schon bis jetzt anders gelebt habe weil ich eine frau bin und weil frauen ein anderes leben leben als männer.

 

diese erkenntnis war ein schock der mich aber nie behindert hat im gegenteil dieser zorn wurde mein motor meine maschine eine neue welt tat sich auf ich hatte glück in den siebziger jahren dachten viele so gleichaltrige so frauen dachten etwas ältere künstlerinnen dachten so und handelten arbeiteten in jungen medien video performance dachten arbeiteten ähnlich wie ich mit dem körper aus wut zorn weiblicher körper unbekannt als werkzeug nie gebraucht als werkzeug tätiger seismograph als absolute neuigkeit direkt mit dem werkzeug körper arbeiten neue erkenntnisse mein neuland das sich mischt mit meinem alten kinderwissen vermengt vermischt zum eigengebräu wird das war es was ich machen wollte ich wollte mit meinem ganzen körper arbeiten mit raum mit zeit im raum in der zeit mich bewegen und gleichzeitig nicht vergessen was ich schon alles gemacht hatte was ich schon alles gewollt hatte was ich alles schon werden wollte wer ich alles schon sein wollte ich wollte picasso werden ich wollte ich selbst werden ich wollte picasso werden und ich selbst ich wollte so gut wie picasso sein ich wollte wie picasso jeden tag ins atelier malen zeichnen bauen und wusste doch dieses alte künstlerbild ist vorbei zeitgebunden klassisch mit haus gattin kinder cafediskussion bordellbesuch lebensumstände die ich nie haben würde noch wollte keine gattin keine hure kein haus keine kinder sondern etwas neues wo die frau die künstlerin die frau arbeitend handelnd der mittelpunkt ist ich selbst ich selbst arbeitend handelnd künstlerin dann musste ich auch mit diesem künstlermythos das ich so sehr geliebt hatte abschliessen meiner vergangenheit der geschichte zuordnen doch was ich gesehen habe habe ich gesehen was mich anschaute habe ich gesehen.

 

 

miriam cahn

jan./feb. 1994

 

 

 

 

dieser text war bestandteil der performance zur ausstellung „picasso“ im haus der kunst des 20. jahrhunderts in wien 1994: der von mir gehetzt und so schnell als möglich gelesene text wurde nach jedem abschnitt von den „kurzen stücken“ unterbrochen.