wenn ich die lässig rauchende soldatin sehe, die einen gefangenen an der leine führt und mit abschätzigem lächeln betrachtet, sehe ich nach dem ersten schrecken durch abscheu valie export einen mann an der leine durch die strassen von wien führen. sehe ich in einem spielfilm das world trade center im hintergrund, schalte ich in meinem kopf automatisch auf angriff und zusammenbruch der 2 türme und denke gleichzeitig an meine eigenen früheren arbeiten.
valie exports bilder ihrer performances jetzt ausstellen: was würden sie zeigen? ein zeitdokument der 70ger jahre? Ein privates sado-maso-ding? ein feministisches lehrstück? eine voraussicht und damit bestätigung der kunst als avantgarde? ein urzeichen (war schon immer so, alle menschen sind so)? auf alle fälle würde allen beim betrachten der arbeit exports die aktuellen bilder der soldatin mit der leine einfallen.
ähnliches ist mir passiert beim zusammenstellen für eine ausstellung mit früheren arbeiten: natürlich brauchte ich in den 80ger jahren das zeichen des world trade center als politische und feministische kritik, als zeichen für wildgewordenen kapitalismus und vormachtsstellung der USA. und jetzt wurde dieses gebäude, das immer ikone war, real angegriffen und vernichtet. in der ausstellung in madrid kurz vor dem 2. golfkrieg bekamen meine arbeiten des world trade centers eine ungewollt aktuelle und erschreckende bedeutung: hatte ich es „vorausgesehen“? nein. war es ein urzeichen? vielleicht. häuser sind urzeichen, aber hochhäuser historisch an die moderne gebunden. freude beim herstellen dieser riesenzeichnungen und darstellung der wolkenkratzer? natürlich. und massgeblich. ein feministisches lehrstück? ja, und an die damalige zeit gebunden (einteilung in männer- und frauenwelt).
und jetzt diese „aktualität“ des bildmaterials, das bei export wie bei mir durch geschichtszufall eine bedeutung bekommt, die nie so gemeint war, abgesehen davon, dass interessante kunst sich sowieso immer im auge der schauenden wandelt. wir schauen heute im bewusstsein von kriegsreportagen auf goyas „desastres“. aber was heisst, wenn ich selbst meine eigene kunst bewusst historisch anschauen muss, weil die berechtigte ideologiekritik der 70ger und 80ger-zeit dermassen perverse formen angenommen hat, da sie vom denken ins handeln gefallen ist. weil wort/bild plötzlich real sind im sinn von abbild, von dokument einer echten tat wie snuff-pornfilm, das sofort in die ganze welt verbreitet werden kann. es ist, als hätte goya soldaten oder sogar sich selbst dazu gebracht, gräueltaten zu begehen, damit er sie nachher nachstellen kann.
also sehe ich hilflos auf meine kriegsschiffe, ölbohrinseln, world trade centers u.s.w. ihre einzig geltende aussage ist ihre schönheit. wenn ich sie ausstelle, dann als dokument meiner hilflosigkeit.
folterbilder im mai 2004
wenn ich die lässig rauchende soldatin sehe, die einen gefangenen an der leine hält und mit verachtendem lächeln betrachtet, sehe ich nach dem ersten schrecken durch abscheu valie export einen mann an der leine durch die strassen von wien führen. sehe ich in einem spielfilm das world trade center im hintergrund, schalten sich in meinem kopf automatisch die bilder der vernichtung der zwillingstürme ein und ich denke gleichzeitig an meine eigenen früheren zeichnungen des world trade centers.
valie exports bilder ihrer performances jetzt ausstellen: was würden sie zeigen? ein zeitdokument der 70ger jahre? ein individuelles sado-maso-verhalten? feministische kritik an pornografie? eine voraussicht und damit bestätigung der kunst als avantgarde? ein urzeichen (war schon immer so, alle menschen sind so)? auf alle fälle würde allen beim betrachten der arbeit exports die bilder der soldatin mit der leine einfallen.
ähnliches ist mir passiert beim zusammenstellen für eine ausstellung mit früheren arbeiten: natürlich brauchte ich in den 80ger jahren das zeichen des world trade center als politische und feministische kritik, als zeichen für wildgewordenen kapitalismus und vormachtsstellung der USA. und jetzt wurde diese ikone angegriffen und vernichtet. in der ausstellung in madrid kurz vor dem 2. golfkrieg bekamen meine arbeiten die darstellungen des world trade centers dadurch eine ungewollt aktuelle bedeutung: hatte ich es vorausgesehen und war damit priesterin einer avantgarde? war es ein urzeichen? war es individuelle freude beim herstellen dieser riesenzeichnungen und darstellung der wolkenkratzer? eine feministische kritik an der „männerwelt“?
jetzt also diese aktualisierung von bildern, die bei export wie bei mir durch geschichtszufall eine verheerend falsche bedeutung bekommen-oder etwa nicht? was heisst, wenn ich meine eigene kunst bewusst historisch anschauen muss, weil die berechtigte ideologiekritik der 70ger und 80ger-zeit vom fluxus-fliessenden denken/fühlen/testen/performen ins finale endgültige handeln/ausführen gefallen ist? weil wort/bild plötzlich reales dokument einer echten tat ist, die so endgültig ist wie das sterben? in einer ästhetik von biederen privaten bildhandys –„hi-mum-hi-dad-look-how-I-am-doing-well“, von snuffpornos oder von hollywood-spektakeln, die in echtzeit sofort in die ganze welt verbreitet werden können?
es ist, als müsste ich menschen wirklich die glieder abhacken, um sie nachher so malen zu können. es ist, als müsste ich in wirklichkeit sterbende und tote gesehen haben, um über sterben und tod nachdenken zu können.
es ist, als hätte goya soldaten oder sich selbst dazu bringen müssen, gräueltaten zu begehen, damit er nachher seine „desastres“ herstellen kann.
es ist die vollständige absage an jegliche vorstellungskraft.
folterbilder im mai 2004
wenn ich die soldatin sehe, die einen gefangenen an der leine hält und mit verachtendem lächeln betrachtet, sehe ich gleichzeitig valie export einen mann an der leine durch die strassen von wien führen. sehe ich in einem spielfilm das world trade center im hintergrund, schaltet mein kopf automatisch die bilder der vernichtung der zwillingstürme. gleichzeitig denke ich an meine eigenen früheren zeichnungen des world trade centers.
valie exports bilder ihrer performance jetzt ausstellen: was würden sie zeigen? ein zeitdokument der 70ger jahre? ein individuelles sado-maso-verhalten? feministische kritik an pornografie? eine voraussicht? kunst als avantgarde? ein urzeichen (war schon immer so, alle menschen sind so)? auf alle fälle würde allen beim betrachten der arbeit exports die bilder der soldatin mit der leine einfallen.
ähnlich geht es meinen arbeiten: natürlich brauchte ich in den 80ger jahren das zeichen des world trade center als politische und feministische kritik, als zeichen für wildgewordenen kapitalismus und vormachtsstellung der USA. und jetzt wurde diese ikone angegriffen und vernichtet. in meiner ausstellung in madrid kurz vor dem 2. golfkrieg bekamen die darstellungen des world trade centers dadurch eine ungewollt aktuelle bedeutung: hatte ich es vorausgesehen und war damit priesterin einer avantgarde? war es ein urzeichen? war es individuelle freude beim herstellen dieser riesenzeichnungen und darstellung der wolkenkratzer? eine feministische kritik an der „männerwelt“?
jetzt also diese aktualisierung von bildern, die bei export wie bei mir durch geschichtszufall eine verheerend falsche bedeutung bekommen-oder etwa nicht? was heisst, wenn ich meine eigene kunst bewusst historisch anschauen muss, weil die berechtigte ideologiekritik der 70ger und 80ger-zeit vom fluxus-fliessenden denken/fühlen/testen/performen ins finale endgültige handeln/ausführen gefallen ist? weil wort/bild plötzlich reales dokument einer echten endgültigen tat ist, die so endgültig ist wie das sterben? in einer ästhetik von biederen privaten bildhandys –„hi-mum-hi-dad-look-how-I-am-doing-well“, von snuffpornos oder von hollywood-spektakeln, die in echtzeit sofort in die ganze welt verbreitet werden können?.
es ist, als hätte ich wirklich krieg erlebt haben müssen, hätte menschen wirklich die glieder abhacken sollen, um sie nachher so darstellen zu können. es ist, als müsste ich in wirklichkeit sterbende und tote gesehen haben, um über sterben und tod nachdenken zu können.
es ist, als hätte goya soldaten oder sich selbst dazu bringen müssen, gräueltaten zu begehen, damit er nachher seine „desastres“herstellen kann.
es ist die vollständige absage an jegliche vorstellungskraft.
beim schreiben dieses textes erwische ich kaum, um was es hier unheimliches geht. wenn exports performance oder meine zeichnungen heute wahlweise wie eine vorwegnahme wirken oder ein historisches dokument, könnte das einer der gründe sein für die jüngste entwicklung der kunst richtung dokufotografie oder auftragskunst: dass nur „wahr“ sei, was sog. erlebt, gebraucht, gekauft, „realität“ ist und naturalistisch erkennbar. alle wissen, dass überall gefoltert wird. das bild der soldatin mit ihrem opfer als hund aber soll realität sein, weil von täterin/täter hergestellt, soll wahrer sein als das bild der performance von export. unsere bilder sind fiktion/kunst, nicht dokument, daher unglaubwürdig und unnütz, gottseidank. denn die wahrheit, die aus dem urlaubsfoto der soldatin spricht, und die dazugehörige globale moralische entrüstung sind die 2 seiten der gleichen medaille: die weigerung, information und wissen mit vorstellungskraft zu verbinden, die weigerung, ästhetisch zu denken. natürlich wissen alle, dass auch der gerechteste krieg grausam ist, dass immer gefoltert wird. aber warum wird dieses wissen nicht zur empörung vor den bildern goyas, exports und unzähliger anderer? weil sie kunst sind?
ich nenne das „die ästhetische rache des proletariats“, ein begriff, der mir einfiel, als ich das erstemal stefan raab anschaute anstatt harald schmidt. ballermannästhetik, die soldatin ist nun ein star, wenn auch ein negativer. wahrscheinlich wird sie kapital daraus schlagen können.
folterbilder im mai 2004
wenn ich die soldatin sehe, die einen gefangenen an der leine hält und mit verachtendem lächeln betrachtet, sehe ich gleichzeitig valie export einen mann an der leine durch die strassen von wien führen. sehe ich in einem spielfilm das world trade center im hintergrund, schaltet mein kopf automatisch die bilder der vernichtung der zwillingstürme ein. gleichzeitig denke ich an meine eigenen früheren zeichnungen des world trade centers.
allen würden die urlaubsbilder der soldatin mit der leine einfallen, wenn heute die bilder der performance valie exports ausgestellt würden.
ähnliches geschah meinen arbeiten: natürlich brauchte ich in den 80ger jahren das zeichen des world trade center als politische und feministische kritik, als zeichen für wildgewordenen kapitalismus und vormachtsstellung der USA. und jetzt wurde diese ikone real angegriffen und vernichtet. in meiner ausstellung in madrid kurz vor dem 2. golfkrieg bekamen die darstellungen des world trade centers dadurch eine ungewollt aktuelle bedeutung.
jetzt also diese aktualisierung von bildern, die bei export wie bei mir durch geschichtszufall eine verheerend falsche bedeutung bekommen. vielleicht sogar eine vernichtung. vernichtung des gefühldenkens durch handeln. weil wort/bild plötzlich dokument einer echten endgültigen tat ist in einer ästhetik von biederen privaten bildhandys –„hi-mum-hi-dad-look-how-I-am-doing-well“, von snuffpornos oder im fall der zwillingstürme von hollywood-spektakeln, die in echtzeit sofort in die ganze welt verbreitet werden können.
es ist, als hätte ich wirklich krieg erlebt haben müssen, hätte menschen wirklich die glieder abhacken sollen, um sie nachher so darstellen zu können. es ist, als müsste ich in wirklichkeit sterbende und tote gesehen haben, um über sterben und tod nachdenken zu können.
es ist, als hätte goya soldaten oder sich selbst dazu bringen müssen, gräueltaten zu begehen, damit er nachher seine „desastres“herstellen kann.
es ist die vollständige absage an jegliche vorstellungskraft.
wenn exports performance oder meine zeichnungen heute wahlweise wie eine vorwegnahme wirken oder ein historisches dokument, könnte das einer der gründe sein für eine entwicklung der kunst richtung dokufotografie: dass nur „wahr“ sei, was sog. erlebt, gebraucht, gekauft und naturalistisch erkennbar ist. alle wissen, dass überall gefoltert wird. das bild der soldatin mit ihrem opfer als hund aber soll „realer“ sein, weil es von täterin/täter hergestellt ist, eine „ästhetische rache des proletariats“ durch die heutige technik der globalen instantwiedergabe. vielleicht freut sich benjamin, vielleicht dreht er sich aber auch im grab um.
natürlich ist der vergleich exports mit den urlaubsfolterbildern der soldatin falsch. die einzige parallele ist die geste: frau führt mann an der leine wie einen hund. das führen exports des hundes mann durch die strassen wiens war zu seiner zeit freiwilliges revolutionäres manifest, der handygruss der soldatin aufzeichnung ihres jobs als machtdemonstration. doch wer diese informationen zur unterscheidung nicht hat, wird nicht unterscheiden, weil das endbild gleich ist – frau führt mann an der leine wie einen hund.
es könnte genausogut eine aufzeichnung einer performance heute sein, die aber weltweit instant versendet eigentlich nur vom kunstpublikum wahrgenommen nicht zu diesem moralischen aufschrei führen würde wie das bild der soldatin. gottseidank oder leider? schwäche der kunst oder schwäche der sog. realität?
als ich die ersten folterurlaubsbilder sah, hätte ich eine wette eingehen können, dass mister rumsfeld als erstes handys mit kameras verbietet. und so war’s. bild ist heute das stärkste medium überhaupt, aber nur in selbstdarstellender doku-ästhetik. wie vor der moderne die fotografie die malerei in ihrer funktion vernichtete, wechselt die kunst heute ihre funktion, was nicht heisst, dass sie selbst vernichtet wird, im gegenteil: alles wieder von vorne und neu. beuys mit seiner sozialen plastik, warhol mit seinen 15-min.-stars, fluxus mit seiner auflösungs- und zen-ästhetik, zeitgeistperformance und video mit und für „alle“ sind zu einem endpunkt gekommen und erreicht. von vorne und neu ist sicher nicht der doku-ästhetik nachzuhinken wie in der ärgerlichen letzten documenta. sondern alles andere. alle bildmöglichkeiten, die eben nicht im sozialen oder politischen oder ästhetischen anwendbar sind, eigentlich überhaupt und an sich nicht anwendbar sind.
folterbilder im mai 2004
wenn ich die soldatin sehe, die einen gefangenen an der leine hält und mit verachtendem lächeln betrachtet, sehe ich gleichzeitig valie export einen mann an der leine durch die strassen von wien führen. sehe ich in einem spielfilm das world trade center im hintergrund, schaltet mein kopf automatisch die bilder der vernichtung der zwillingstürme ein. gleichzeitig denke ich an meine eigenen früheren zeichnungen des world trade centers.
allen würden die urlaubsbilder der soldatin mit der leine einfallen, wenn heute die bilder der performance valie exports ausgestellt würden.
ich las gerade „plateforme“ von michel houellebecq, als das world trade center angegriffen wurde. das buch wurde dadurch unbeabsichtigt geradezu prophetisch. jetzt wurde also dieses in der kunst der 80ger jahre vielgebrauchte zeichen für die wirtschaftliche vormachtstellung der USA real angegriffen und vernichtet. in meiner ausstellung in madrid kurz vor dem 2. golfkrieg bekamen die darstellungen des world trade centers dadurch eine ungewollt aktuelle bedeutung.
jetzt also diese aktualisierung von bildern, die bei export/houellebecq/cahn (und anderen) durch geschichtszufall eine verheerend falsche bedeutung bekommen, vielleicht sogar eine vernichtung. das vernichten des gefühldenkens durch handeln. weil wort/bild plötzlich dokument einer echten endgültigen tat ist in einer ästhetik von biederen privaten bildhandys –„hi-mum-hi-dad-look-how-I-am-doing-well“, von snuffpornos oder im fall der zwillingstürme von hollywood-spektakeln, die in echtzeit sofort in die ganze welt verbreitet werden können.
houellebecq wurde rassismus und faschismus vorgeworfen, weil sich eine seiner figuren im roman in einen hass gegen den islam redet. diese kritiker unterschieden nicht zwischen figur im buch und mensch, der es geschrieben hat, es herrschte die gängige, beliebte, fernsehtauglich vulgärpsychologische meinung vor, dass kunst nur gut ist, wenn sie sog. echt ist, d.h. erlebt, d.h. autobiografisch. man sprach dem schriftsteller damit beobachtung, analyse, distance, beschreibung, vorstellungskraft, eigentlich diese ganze komplexe arbeit kunst ab.
es ist, als hätte ich wirklich krieg erlebt haben müssen, hätte menschen wirklich die glieder abhacken sollen, um sie nachher so darstellen zu können. es ist, als müsste ich in wirklichkeit sterbende und tote gesehen haben, um über sterben und tod nachdenken zu können.
es ist, als hätte goya soldaten oder sich selbst dazu bringen müssen, gräueltaten zu begehen, damit er nachher seine „desastres“herstellen kann.
es ist die vollständige absage an jegliche vorstellungskraft.
exports performance, houellebecqs roman oder meine zeichnungen wirken heute wahlweise als vorwegnahme oder historisches dokument und nicht als möglichkeit und angebot. das könnte einer der gründe sein für eine entwicklung der kunst richtung dokument: dass nur „wahr“ sei, was sog. erlebt, gebraucht, gekauft, gesehen und vor allem naturalistisch erkennbar ist. alle wissen, dass überall gefoltert wird. das bild der soldatin mit ihrem opfer als hund aber soll „realer“ sein, weil es von täterin/täter hergestellt ist, eine „ästhetische rache des proletariats“ an der komplexität der interpretation durch die heutige technik der globalen instantwiedergabe. vielleicht freut sich benjamin, vielleicht dreht er sich aber auch im grab um.
natürlich ist der vergleich exports mit den urlaubsfolterbildern der soldatin genauso falsch wie das gleichsetzen houellebcqs mit seinen figuren. die einzige parallele ist die geste: frau führt mann an der leine wie einen hund. das führen exports des hundes mann durch die strassen wiens war zu seiner zeit freiwilliges revolutionäres manifest, der handygruss der soldatin aufzeichnung ihres jobs als urlaubsgruss und machtdemonstration. doch wer diese informationen zur unterscheidung nicht hat, wird nicht unterscheiden, weil das endbild gleich ist – frau führt mann an der leine wie einen hund.
das spannendste überhaupt heute in der kunst ist die unterscheidung durch information. nein: bild ist nicht gleich bild. trotz der unmenge bildmaterials und technik der verbreitung. ich bestehe darauf, dass bild nicht gleich bild sei, ich bestehe auf unterscheidungen, auf nach-denken, denken nach dem ersten gefühlsschock durch déja-vu. die dinge werden nicht erst „wahr“, wenn das individuum sie „real“ erlebt. ich lehne diese formulierungen ab: das kann ich nicht beurteilen, das kann ich mir nicht vorstellen u.s.w. und vor allem die hier bei uns so beliebten: ich für mich (spricht denn jemand anderes) und das besonders von frauen gern verwendete „wie“: ich bin wie krank (ist sie nun krank oder nicht), ich sehe wie garnichts (sieht sie nun etwas oder nicht) und die gesteigerte form: das kann ich wie nicht beurteilen, das kann ich mir wie nicht vorstellen…
folterbilder im mai 2004
beim anschauen des bildes von der soldatin die einen gefangenen an der leine hält und lächelnd betrachtet sehe ich gleichzeitig valie export einen mann an der leine durch die strassen von wien führen. wenn in einem spielfilm das world trade center im hintergrund steht oder fehlt sehe ich automatisch die bilder der vernichtung der zwillingstürme. gleichzeitig denke ich an meine eigenen früheren zeichnungen des world trade centers.
allen würden die urlaubsbilder der soldatin mit der leine einfallen, wenn heute die bilder der performance valie exports ausgestellt würden.
ich las gerade „plateforme“ von michel houellebecq, als das world trade center angegriffen wurde. das buch wurde dadurch prophetisch. das in der kunst der 80ger jahre vielgebrauchte zeichen wurde zur real angegriffenen und vernichteten ikone. in der ausstellung in madrid kurz vor dem 2. golfkrieg wurden meine alten world trade centers dadurch ungewollt aktuell.
die aktualisierung von bildern durch geschichtszufall vernichtet unsere arbeit durch die aktuelle konkurrenz vom dokumentieren einer echten tat in einer ästhetik von biederen privaten bildhandys, von snuffpornos oder im fall der zwillingstürme von hollywood-spektakeln. bilddokumente, die in echtzeit sofort in die ganze welt verbreitet werden können.
houellebecq wurde angegriffen, weil eine seiner romanfiguren hasserfüllt gegen den islam redet. diese kritik unterscheidet nicht zwischen figur im buch und mensch, der es geschrieben hat. die gängige, beliebte, fernsehtauglich vulgärpsychologische meinung, dass kunst nur gut sei, wenn sie sog. echt ist, d.h. erlebt, d.h. autobiografisch, spricht dem schriftsteller damit beobachtung, analyse, distance, beschreibung, vorstellungskraft, eigentlich diese ganze komplexe arbeit kunst ab.
es ist, als hätte ich wirklich krieg erlebt haben müssen, müsste in wirklichkeit sterbende und tote gesehen haben, um über sterben und tod nachdenken und arbeiten zu können.
es ist, als hätte goya soldaten oder sich selbst dazu bringen müssen, gräueltaten zu begehen, damit er nachher seine „desastres“herstellen kann.
es ist die vollständige absage an jegliche vorstellungskraft.
es ist die „ästhetische rache des proletariats“ durch die heutige technik der globalen instantwiedergabe an der intellektuellen komplexität der interpretation. vielleicht freut sich benjamin, vielleicht dreht er sich aber auch im grab um.
natürlich ist der vergleich exports mit den urlaubsfolterbildern der soldatin genauso falsch wie das gleichsetzen houellebecqs mit seinen figuren. die einzige parallele ist die geste: frau führt mann an der leine wie einen hund. das führen exports des hundes mann durch die strassen wiens war zu seiner zeit revolutionäres manifest, der handygruss der soldatin aufzeichnung ihres jobs als urlaubsgruss. doch wer diese informationen zur unterscheidung nicht hat, wird nicht unterscheiden, weil die erzählung gleich ist – frau führt mann an der leine wie einen hund.
gestern sah ich einen film über blindsein. ein mädchen, ein professor, ein sportler, ein sozialarbeiter, eine stimmspezialistin redeten über ihre wahrnehmungstechniken. das mädchen malte bilder für einen anderen blinden, der noch schatten sah. der professor beschrieb genau den weg in seine universität. der sportler war modell für die stimmspezialistin, die skulpturen macht. der sozialarbeiter erarbeitet mit seinen sehbehinderten klienten programme der wahrnehmung und joggt in der freizeit mit seinem hund an der kurzen leine. der leistungssportler trainiert mit einem kollegen durch eine kurze schnur an der hand gebunden.
der professor, der durch krankheit blind geworden war und damit das sehen kannte, beschrieb den unterschied so: wenn er mit der hand oder dem stock etwas abtaste, könne das nur hintereinander geschehen. im kopf stelle er dann diese ertasteten informationen zu einem raum zusammen, was durch die technik des ertastens seine zeit brauche. sehen sei die erfassung der umgebung „in einem blick“, sehr schnell, was die erfassung der umgebung durch die anderen sinne bis zu einem gewissen grad überflüssig mache. das ertasten von gesichtern sei hingegen überflüssig, da es im gegensatz zu stimme und geruch keinerlei information berge und ausserdem zu intim sei.
Der sozialarbeiter bezeichnete seinen stock als körperteil, etwa wie für autofahrende das auto, die genau die länge und die breite, die räumlichkeit ihres autos in bewegung erfühlten wie ihren eigenen körper z.bsp. beim einparken. ähnlich sei es beim herumbewegen für ihn als blinden mit dem stock. wenn er entlang des flusses mit seinem hund joggen würde, täte er es am liebsten allein, weil sehende freunde ihm dinge beschreiben würden, die er garnicht wissen wolle wie z.bsp. ein im fluss schwimmender müllsack. er wolle im gegensatz zu sehenden den müllsack im fluss garnicht wissen, denn dieser sei nicht mehr aus seinem kopf zu entfernen und bekäme eine wichtigkeit und grösse, die ihn im vergnügen des joggens am fluss beeinträchtige.
das mädchen malte blasenförmige gebilde, oben den blauen himmel, unten das blaue wasser und die braune erde, aus der erde wachsend grüne gebilde, zum teil schwarz umrahmt, und wie bei jedem kind waren das ganz präzise dinge und geschichten: ein fisch, bäume, spezielle blumen, wellen im wasser und so weiter. es gab nicht einen einzigen unterschied auch in der sicherheit und schnelligkeit des malens zu anderen sehenden kindern.
im darwinistischen sinn ist sehen für menschen die schnellste technik des überlebens. das ist alles.
folterbilder im mai 2004
beim anschauen der soldatin die einen gefangenen an der leine hält sehe ich gleichzeitig valie export einen mann an der leine durch die strassen führen. wenn in einem spielfilm das world trade center im hintergrund steht oder fehlt sehe ich die bilder der vernichtung der zwillingstürme und denke an meine eigenen früheren zeichnungen des world trade centers.
allen würden die urlaubsbilder der soldatin mit der leine einfallen, wenn heute die fotografien der performance valie exports ausgestellt würden.
ich las gerade „plateforme“ von michel houellebecq, als das world trade center angegriffen wurde. das buch wurde dadurch prophetisch. das in der kunst der 80ger jahre vielgebrauchte zeichen wurde zur real vernichteten ikone. in der ausstellung in madrid kurz vor dem 2. golfkrieg wurden meine alten world trade centers dadurch ungewollt aktuell.
die aktualisierung von bildern durch geschichtszufall vernichtet unsere arbeit durch die konkurrenz des dokuments einer echten tat in einer ästhetik von biederen privaten bildhandys, von snuffpornos oder im fall der zwillingstürme von hollywood-spektakeln. bilddokumente, die in echtzeit sofort in die ganze welt verbreitet werden können.
houellebecq wurde angegriffen, weil eine seiner romanfiguren hasserfüllt gegen den islam redet. diese kritik unterscheidet nicht zwischen figur im buch und mensch, der es geschrieben hat. die gängige, beliebte, fernsehtauglich vulgärpsychologische meinung, dass kunst nur gut sei, wenn sie sog. echt ist, d.h. erlebt, d.h. autobiografisch, spricht dem schriftsteller damit beobachtung, analyse, distance, beschreibung, vorstellungskraft, eigentlich diese ganze komplexe arbeit kunst ab.
es ist, als hätte ich wirklich krieg erlebt haben müssen, müsste in wirklichkeit sterbende und tote gesehen haben, um über krieg, sterben und tod nachdenken und arbeiten zu können.
es ist, als hätte goya soldaten oder sich selbst dazu bringen müssen, gräueltaten zu begehen, damit er nachher seine „desastres“herstellen kann.
es ist die vollständige absage an jegliche vorstellungskraft.
es ist die „ästhetische rache des proletariats“ durch die heutige technik der globalen instantwiedergabe an der intellektuellen komplexität der interpretation. vielleicht freut sich benjamin, vielleicht dreht er sich aber auch im grab um.
natürlich ist der vergleich exports mit den urlaubsfolterbildern der soldatin genauso falsch wie das gleichsetzen houellebcqs mit seinen figuren. die einzige parallele ist die geste: frau führt mann an der leine wie einen hund. das führen exports des hundes mann durch die strassen wiens war zu seiner zeit aggressives revolutionäres manifest, die aufzeichnung der soldatin eine art urlaubsgruss, dass es ihr durch machtausübung in ihrem job gut geht. doch wer diese informationen zur unterscheidung nicht hat, wird nicht unterscheiden, weil die erzählung gleich ist – frau führt mann an der leine wie einen hund.
gestern sah ich einen film über blindsein. ein mädchen, ein professor, ein sportler, ein sozialarbeiter, eine stimmspezialistin redeten über ihre wahrnehmungstechniken.
das mädchen malt bilder für den sozialarbeiter, der noch schatten sieht. der professor beschreibt beim gehen den weg in seine universität. der sportler steht modell für die skulpturen der künstlerin/stimmspezialistin, welche schauspielerinnen und schauspielern die erfassung ihres körpers und des raumes durch den klang der stimme lehrt. der sozialarbeiter erarbeitet mit seinen sehbehinderten klienten programme der wahrnehmung und joggt in der freizeit mit seinem hund an kurzer leine den fluss entlang. der leistungssportler trainiert seine sprints durch eine kurze schnur an der hand seines kollegen gebunden.
der durch krankheit blind gewordene professor beschrieb den unterschied zwischen sehen/nichtsehen so: mit der hand oder dem stock etwas abtasten könne nur nacheinander geschehen. im kopf stelle er diese ertasteten informationen zu einem raum zusammen, was durch die technik des ertastens seine zeit brauche. sehen „in einem blick“ sei die schnellste und beste überlebenstechnik des menschen zur erfassung des raumes. er hätte lernen müssen, das verfahren des sehens vollständig zu vergessen, um die anderen sinne ihrer eigenschaft entsprechend brauchen zu können. das ertasten von gesichtern aber sei zu intim und vermittle im gegensatz zu stimme und geruch keinerlei information.
der sozialarbeiter bezeichnete seinen stock als körperteil zur erfassung des raumes beim gehen etwa wie autofahrende ihr fahrzeug beim fahren als körperteil erfühlten. entlang des flusses jogge er am liebsten allein mit seinem hund, dessen bewegungen ihm information sei wie der fluss ihm orientierung gebe durch seine geräusche und gerüche. sehende aber würden ihm dinge beschreiben, die er garnicht wissen wolle. ein im fluss schwimmender müllsack werde durch die beschreibung in seinem kopf so gross, dass er daraus nicht mehr zu entfernen sei und ihn beim joggen beeinträchtige. sowieso sei die beschreibungssucht der sehenden gegenüber blinden kolonial.
das mädchen malte oben einen hellblauen streifen, unten ein grünliches oval mit punkten auf dunkelblauen hintergrund und einen braunen streifen aus dem es grün nach oben wuchs, dazu vertikale und horizontale schwarze streifen. beim malen beschrieb das blinde mädchen dem blinden laufend was es malte, und wie bei jedem kind waren das ganz präzise dinge und dazugehörige lange geschichten. ich sah keinen unterschied in darstellung, sicherheit, konzentration und schnelligkeit des malens zu sehenden kindern, deren bilder ich ohne ihre interpretation zum bild nicht verstehe. was ich sehe, sind angebote, möglichkeiten, gebilde.
folterbilder im mai 2004
gestern sah ich einen film über blindsein. ein mädchen, ein professor, ein leistungssportler, ein sozialarbeiter und andere sprachen über ihr alltagsleben und zeigten ihre überlebenstechniken ohne sicht.
das mädchen malte ein bild für den sozialarbeiter. der professor beschrieb beim gehen den weg in seine universität. der sozialarbeiter erarbeitete mit seinen sehbehinderten klienten programme der wahrnehmung und joggte in der freizeit mit seinem hund an kurzer leine den fluss entlang. der leistungssportler trainierte seine sprints und läufe durch eine kurze schnur an der hand seines kollegen gebunden.
der durch krankheit blind gewordene professor beschrieb den unterschied zwischen sehen/nichtsehen so: mit der hand oder dem stock etwas abtasten könne nur nacheinander geschehen. im kopf stelle er diese ertasteten informationen zu einem raum zusammen, was durch die technik des ertastens zeit brauche. sehen „in einem blick“ sei die schnellste und beste überlebenstechnik des menschen zur erfassung des raumes. er hätte lernen müssen, das verfahren des sehens vollständig zu vergessen, um die anderen sinne ihrer eigenschaft entsprechend brauchen zu können. das ertasten von gesichtern aber sei zu intim und vermittle im gegensatz zu stimme und geruch keinerlei information.
der sozialarbeiter bezeichnete seinen stock als körperteil zur erfassung des raumes beim gehen etwa wie autofahrende ihr fahrzeug beim fahren und manövrieren als verlängerten teil des körpers empfinden. entlang des flusses jogge er am liebsten allein mit seinem hund, dessen bewegungen ihm information sei. der fluss orientiere ihn durch seine geräusche und gerüche. sehende aber würden ihm dinge beschreiben, die er garnicht wissen wolle. ein im fluss schwimmender müllsack werde durch deren beschreibung in seinem kopf so gross, dass er daraus nicht mehr zu entfernen sei und ihn beim joggen beeinträchtige. sowieso sei ihm die beschreibungssucht der sehenden gegenüber blinden unangenehm.
der sportler sprach von seinen füssen als werkzeuge einer befreienden aufhebung der schwerkraft. da sie beim laufen immer einen kurzen moment beide in der luft seien. ausserdem erfasse er durch seine bewegungen die genaue länge der sandbahn und vielleicht damit sogar den raum der arena. obwohl er die bronzemedaille an den paraolympics gewonnen habe, sei er sich im klaren darüber, dass er nie schneller laufen könne als sein durch die kurze schnur verbundener partner.
das mädchen malte oben ein hellblaues band, unten ein gepunktetes grünliches oval auf dunkelblauen hintergrund, darüber einen braunen streifen mit grün nach oben wachsenden gebilden und verschiedene schwarze linien und umrandungen. beim malen beschrieb das blinde mädchen dem blinden laufend was es malte, und wie bei jedem kind waren das präzise dinge und dazugehörige lange geschichten. ich sah keinen unterschied in darstellung, sicherheit, konzentration und schnelligkeit des malens zu sehenden kindern, deren bilder ich ohne ihre interpretation zum bild nicht verstehe. was ich sehe, sind angebote, möglichkeiten, gebilde, bilder.