überdachte fluchtwege

ich dachte meine umgebung neu, ich sah meine umgebung in anderer perspektive, ich dachte fluchtwege, fluchtpunkte, flüchtlinge, flüchtende, fliehende, horizonte, aufsichten, untersichten, landschaften, städte, gelände, perspektiven. plötzlich musste ich nach madrid nur der avenidas wegen, ich hätte auch nach buenos aires oder N.Y. fahren können. ich fuhr nach madrid aber auch der fleischfarbenen stadt wegen, fleischstadt madrid.

auf dem weg mit dem zug von basel nach ZH flughafen sah ich die wohlbekannte landschaft plötzlich neu, ich legte linien, horizonte, dachte wirklich räumlich und wurde dadurch sehr müde, hirnmüde, legte netze aus dem fahrenden zug, computermodellähnlich war alles bestürzend geburtsähnlich neu. ich hätte genausogut vom flugplatz wieder nach basel zurückfahren können. eine sturzgeburt, gleichzeitig der eindruck eines kreises, der sich schliesst.

auch dachte ich an mein fliehen meine fluchtbewewgungen aus meiner umgebung, einer irgendwie faden umgebung. ich überdachte meine freundschaften, die eher eine art gleichbleibender gegenstände in einem gelände waren, je nach meinem standpunkt näher oder ferner in diesem terrain vague. sie waren fixpunkte, haltestellen beim gehen beim rennen beim laufen, dachkostruktionen, schützende bauten, im gelände herumstehend. es empfahl sich mehrere zu haben. je mehr ich meine fluchtwege überdachte, desto besser.

auch dachte ich an flüchtlinge, diese in die landschaft und ins gelände geworfenen menschen, die überhaupt keine halte – + ruhegebäude hatten, nichts, keine fixpukte, keine orte, keine dächer, nichts, sie hatten nur sich wenn überhaupt. meine fluchtwege waren durch das privileg der freiheit überdacht. ich musste weder fliehen, noch musste ich über flucht nachdenken. ich musste gar nichts.

aber ich träume mein leben lang immer wieder gelände mit gebäuden, gegenständen, skulpturen, dingen, die ich träumend jugendlich mit kampflugzeugen überflog und heute älter geworden träumend durchschreite. darin herumstehe. darin herumlaufe. herumgehe. zufällig dabeistehe und gehe, schauend, betrachtend.

träumen ist selbstdefinition, träumen ist zeichnen, malen, musizieren, schreiben, gehen, rennen, denken, atmen. träumend bewegt sich alles ist wirklich wirklich wahr nicht fassbar aber darstellbar. träumen ist das erwischen, ist die bewegung des erwischens. träumen ist die arbeit erwischen/ ausweichen/rennen/fliehen, die arbeit entwischen, die arbeit flucht.

 

ich weiss nähe von sehr viel früher: meine alte mutter nennt mich heute: -mon bébé, ma chérie- und ich nenne sie dann: -ma vieille-. sie ist früher ich bin jetzt. ma vieille, mon bébé, ma chérie. so schliesst sich der kreis der schönheit meines kindseins. kreis, rund, ohne raum, aber mit zeitdauer. meine mutter schickt mir zeichnungen mit 5 bäumen, grün, mit violettem stämmen, die kronen oval nach rechts geneigt wie in einem wind I/L/O/V/E und darunter ein grüner kreis mit YOU geschrieben. überhaupt schickt sie mir immer neue und sehr konzentrierte farbige kreise, sehr schöne kreise, einfache schöne konzentrierte kreise, ma vieille.

 

wir warten auf die nächste katastrophe. katastrophe = terrorakt= selbstmordattentat. cool beobachten und analysieren attentäter unsere umgebung. was das WorldTradeCenter für amerika, ist die ermordung theo van goghs für holland. hollywoodbild USA + europäisches intellektuellenbild, USA + europa, genau beobachtet, die schwachpunkte zwecks zerstörung analysiert. die schwachpunkte analysiert, seziert und anschliessend in eine perfekte strategie der vernichtung umgesetzt. ich verstehe den willen des verschwindens im selbstmord, des aufgehens ins absolute nichts, des nicht-mehr-sein-wollen, des nichts sein wollen, aber ich lehne zutiefst überhaupt wirklich den akt des selbstmordes als strategisch eingesezte waffe als taktik des absoluten, als zweck der kühlen zerstörung ab. selbstmordattentate treffen heute den kern unserer gesellschaften, meiner umgebung, die in sich die möglichkeit des scheiterns trägt, des unperfekten, des flauen, des demokratischen, des individuellen, des so daherlebens, es spielt keine rolle, es ist unwichtig, es ist meine fliessende, flüchtige kultur der wechselnden standpunkte, perspektiven, horizonte, fluchtpunkte und fluchtwege. unerträglich für selbstmordattentäter. würde ja heissen, dass ihr standpunkt nur ihrer ist, ihr kleiner menschenstandpunkt, persönlich, individuell, nicht göttlich, gross, allgemein. selbstmord verstehe ich sehr wohl, selbstmordattentat in seiner extrem coolen intelligenz und extremer dummheit des gefühls nicht.

 

 

überdachte fluchtwege

 

silvester, hochtal, freunde. jemand sagt: -dieser laden verkauft neu auch koschere waren an orthodoxe juden das ist gut die juden sind mir aber unsympatisch. unsympatisch? war ich dieser person auch unsympatisch? wusste sie dass ich jüdin war? ich konnte nicht reagieren, meine stimmung war im eimer, dies waren meine freunde, dies waren meine juden. meine juden waren unsympatisch. dies waren meine freunde. meine freunde und meine juden.

ich fuhr ziemlich bald nach 24.00 zurück und sah diese hellerleuchteten feste, zu grell, zu hell, meine stimmung war im eimer, ich tauchte hinunter ins dunkle tal, ins verlassene dunkle bergell, mit jeder kurve ging es mir besser, bis ich zu mir kam, nach hause kam, in eine meiner werkstätten, nach hause ins dunkle. nachts träumte ich von einem gelben tier, das auf einem bord von rechts oben nach links unten ging und streng zu mir zurückschaute. ich lag unter dem tier ähnlich dem kind, das von seinem bett aus auf seine stofftiere schaut.

mehrere wochen hatte ich ein schrecklich schlechtes gewissen meinen juden gegenüber. ich hatte sie nicht verteidigt. ich hatte nicht gefragt, meine freunde befragt: -findet ihr mich auch unsympatisch, bin ich euch unsympatisch wie meine juden-. es war mir einfach nichts eingefallen, da war diese lähmung, eine leere, aus der heraus ich nichts erfinden konnte, nichts tat, gelähmt schaufelte ich essen in mich hinein, betäubt, unbeteiligt, versteinert.

angenommen, meine freunde hätten geantwortet, angenommen ich hätte sie gefragt ob ich ihnen auch unsympatisch sei angenommen wie meine juden: ich sei doch nicht so, nicht dasselbe, nicht orthodox, nicht mit strümpfen und perücke, nicht schwarzgewandet nein, das wäre nicht ich ich wäre ihnen meinen freunden also daher nicht unsympatisch was wäre ich dann? trotz cahn nicht unsympatisch wie meine juden, trotz miriam cahn also sympatisch, da nicht unsympatisch wie meine juden? waren meine juden denn meine juden, wenn ich ohne religion war? ohne jüdische mutter? im sehen und denken meiner freunde war ich wahrscheinlich keine jüdin, weil ich nicht aussehen + dasein zeigte wie meine juden. ich war also sympatisch wahrscheinlich ich weiss es nicht da ich nicht gefragt habe. vielleicht wäre ich für meine freunde nach einer solchen frage genauso unsympatisch gewesen wie meine juden. meine juden bleiben meine juden. meine juden sind meine juden, auch wenn ich niemals zu einer gemeinde gehöre und keine zionistin bin. meine juden sind meine juden.

 

 

überdachte fluchtwege sarajevo in zügen schreiben

 

in der waffenstillstandszeit vor dayton wurde ich nach sarajevo eingeladen um auszustellen. meine arbeiten wurden über den berg igman gefahren, ich flog von zagreb nach sarajevo mit einer militärtransportmaschine. die militärisch-kargen büros der unprofor waren schön durch eine absolute abwesenheit an sog. gestaltung, das flugzeug eine fliegende werkhalle, in der mitte das material, wir menschen an der aussenhaut innen festgezurrt. ich war die einzige zivile. – warum ich nach sarajevo fliege? – bin eingeladen, stelle in sarajevo aus, bin künstlerin.- die soldaten verschiedener militär – + hilfsorganisationen schauten ausserplanetarisch entgeistert bei dieser antwort.

aus der schweiz aus dem zivilen kommend war sarajevo unfassbar. die fahrt mit dem als UN-fahrzeug getarnten weiss gestrichenen zivilauto durch diesen raum der zerstörten, durch diesen zerstörten stadtraum, das räumliche am fahren durch diese stadt, die raumerfahrung dieser zerstörungswut, der raum das tempo des fahrens erinnerten an die TV-bilder, ich erinnerte die herausragenden gebäude, die zeitung, das hotel, das neue quartier am flughafen als räumliche fixpunkte, kaputte bauten, zerstört, eliminiert, knapp funktionsfähig.

dann obala: ein wilder haufen junger menschen, die gerade das ende ihres ersten sarajevo film festival feierten + weinten + lachten + pafften drina + soffen, besoffen waren vom grossartigen erfolg des festivals. als nächstes: meine ausstellung. ein teil dieser ganz jungen männer arbeiteten am tag als video – film + kunstspezialisten und waren nachts soldaten der verteidigungsarmee sarajevos. eigentlich erarbeitete ich meine ausstellung mit soldaten.

ich wurde im selben gebäude im obersten stock untergebracht, der block lag am fluss, durch kleine löcher im unproforplastik sah ich auf den berg, und ich nehme an, dass dort soldaten der belagerungsarmee auf uns schauten, uns beobachteten, was ich sofort verdrängte. vor dem obala waren sandsäcke, die viell. ein wenig schutz boten. ein wenig schützten. im obala war ein nervöser kleiner hund, der durch wildes kläffen die menschen im obala vor eindringlingen schützte. dieser kleine schutzhund „ticci“ (sein gesicht zuckte sogar im schlaf) war zeichen/ikone der situation: alle waren irgendwie TICCI, alle schienen normale jugendliche, junge menschen, deren beschädigungen schleichend sichtbar wurden, sich mir erst mit der zeit zeigten, schlechte zähne, fahle haut, ungewaschene haare, rissige nägel, zuckungen, tics. sie waren extrem aufmerksam in ihrem outfit, dass benetton eine filiale aufgemacht hatte, war für sie normalität, auch wenn sie nicht auf benetton standen. normalität war die beste möglichkeit des überlebens, normalität war das zivile, hiess städtische normalität, hiess ausgehen, hiess sich anständig kleiden, hiess gestalten. ich ging mit ihnen ins zentrale kino durch die vollkommen dunkeln gassen in ein vollkommen dunkles kino, film vergessen, egal, plötzlich das leuchten der leinwand, manchmal unterbrochen durch vollkomenes schwarz, durch totale dunkelheit.

ausstellen hiess normalität hiess internationale künstlerinnen und künstler einladen. sie hatten mit nichts in der akademie am fluss einen schönen funktionalen ausstellungsraum gebaut nachdem ihr erster durch granatenbeschuss zerstört wurde. sorgfältig packten sie meine sachen aus, jeder kleinste klebstreifen wurde abgelöst, aufbewahrt, jegliches packmaterial gefaltet. anschliessend installierten wir die ausstellung genauso schnell professionell wie sonstwo auf der welt. die eröffnung wurde auf 13.00 festgelegt wegen der soldaten und der elektrizität; die einladungen wurden vertragen und direkt in die häuser und wohnungen gebracht. an der eröffnung hatte ich ein nettes gespräch auf französisch über kunst mit dem serbischen general der verteidigungsarmee, es war eine angenehm intensive und kurze eröffnung. es war schön.

ich kaufte am einzigen offenen kiosk in der basarça einen stadtplan „sarajevo und umgebung“. auf dem während des krieges neu gedruckten umschlag waren die üblichen touristischen attraktionen als ruinen zu sehen. ich liess mir von einem der obalasoldaten die demarkationslinie der belagerungsarmee einzeichnen. da erst wurde mir wirklich, räumlich, bewusst, welche arbeit diese zusammengewürfelte verteidigungsarmee leistete, um ihre stadt zu erhalten. ich dachte an die karten „basel und umgebung“, an feldberg, belchen, blauen, gempen, tüllingerberg, grand ballon, die ebenso eine belagerungs – + demarkationslinie bilden konnten.

ein junger videokünstler erzählte mit unbeteiligter stimme, dass er im gebirge schon mehrere male leichen und leichenteile mit dem feind getauscht habe. dieser junge hatte einen sehr trainierten body, aus dem zivilen kommend dachte ich naturgemäss an sportliches training. vielleicht wurde er ja aufgrund seines noch in zivilen zeiten aus sportlichen gründen trainierten körpers befehligt, ausgewählt, in unwegsamem berggelände mit dem feind leichen und leichenteile zu tauschen. vielleicht aber hatte dieser job seinen körper gestählt.

erst in zagreb im hotelzimmer unter der dusche fiel die bedrohung ab, erst, als ich nicht mehr in dieser belagerten stadt war, wurde mir, eigentlich, körperlich, dieser zustand der bedrohung bewusst.

wieder in basel reagierte meine umgebung zurückhaltend. wenn ich anfing zu berichten, lenkten sie auf andere themen oder liessen ihre aufmerksahmkeit sehr deutlich schweifen. meine freunde schauten an mir vorbei. sie fanden mich zwar merkwürdig mutig. für sie hiess aber den krieg ablehnen kriege nicht zu denken. für sie „beschäftigte“ ich mich mit dem krieg, die cahn hat einen kriegstick, muss an ihrer geschichts – + biografiekonstellation liegen. ausstellen in einer belagerten stadt als zeichen von normalität interessierte niemand obwohl kunst als zeichen von normalität sehr interessant ist, interessieren sollte, kunst als zeichen von normalität wie das gedicht von draculic mit der bushaltestelle und der langweiligen tatsache, dass der bus jeden tag pünktlich zur selben zeit kommt, normalität, alltag bedeutet.

 

ich glaube, möglicherweise, vielleicht, dass ich nach dieser heimkehr beschloss, innerlich entschied, wirklich, gefühlsmässig, von innen, als gefühl beschloss, entschied, von innen, gefühlsmässig wirklich, meine umgebung zu beobachten, zu betrachten. zu betrachten, wie meine menschen lebten und sagten. ihrer sprache genau zuzuhören und den vermeintlich solidarischen umarmungen besonders von frauen auszuweichen, diesen frauen meiner umgebung auszuweichen, die sich weigerten, weiterzudenken als krieg-ist-männersache. einige der männer in meiner umgebung weigerten sich weiterzudenken, weil sie in diesem system krieg-ist-männersache-und-daher-schlecht nicht die schlechten sein wollten, logischerweise. die haltung meiner menschen war endgültig und grundsätzlch: -wir können uns das wie nicht vorstellen (dieses wie gibt’s nur im schweizerdeutschen). also wollten sie meine woche in sarajevo auch nicht wissen. aber als die USA diesen europäischen krieg mit krieg beendete, yes, da waren meine kleinstadtkoryphäen gegen die USA, einfach, traditionsgemäss, grundsätzlich, ein intellektuelles verschlossensein, wir, eingeschlossensein in unserem wohlergehen, pünktliche busse, pünktliche bahnen, elektrisch, warmes wasser, alles normal, normalität und ein bequemes verweigern das privileg der normalität zu nutzen, zu schätzen, um in alle richtungen zu denken und zu fühlen. wir werden nicht gezwungen leichen und leichenteile in unwegsamem gelände herumzuschleppen und mit dem feind auszutauschen. wir haben das privileg der normalität des alltags, wir, wir können leidenschaftlich darüber nachdenken, emphatisch, was es heisst, wenn ein junger videokünstler nachts leichenteile austauschen muss, dieser fuss gehört zu meiner leiche, diese hand zu deiner.

während ich schreibe windet sich der panoramazug durch unwegsames gelände. tunnel wechseln mit ausblicken in schluchten, auf burgen und historische eisenbahnbrücken. inder, deutsche und asiaten betrachten und fotografieren/filmen begeistert die schöne landschaft. mit jeder steigungsschlaufe wird das grün der bäume filigraner. in st. moritz werde ich in mein auto steigen und den seen entlang nach hause fahren.

 

 

 

 

überdachte fluchtwege  beim fernsehen schreiben

 

ich lese diese texte nicht nach dem schreiben. ich denke an sie, gedächtnis, gedenken, diese texte erinnern. der sarajevotext als erinnerung vielleicht selbstgefällig, eingebildet vielleicht, eingebildet, selbstbild selbstgefallen. selbstgenügsam. selbstmord selbsttötung selbstmordattentat freitod hand an sich legen, hand + hände. das WorldTradeCenter und die sicht der zwei französischen dokumentarfilmbrüder, die durch zufall ins 9/11 hineingeraten, ihre sicht vom boden her, die froschperspektive des turmes, in den das erste flugzeug rast: der eine bruder filmte gerade ein gasleck im boden + riss geistesgegenwärtig professionell die kamera hoch, als der beteiligte fireworker das flugzeug hörte. diese paar sekunden haben alle hat die ganze welt gesehen. später versucht die feuerwehr in der lobby des turms die lage einzuschätzen mit konzentriertem lauschen, dem gebäude zuzuhören, das verletzte gebäude zu hören. sie hören auch ein platschen, den laut der auf das vordach der lobby fallenden körper. ich sehe im fernsehen nichts ausser konzentriert lauschende männer in feuerwehrmontur und höre den laut, das geräusch, den spezifischen ton des aus grosser höhe aufschlagenden menschlichen körpers.

2005 versuche ich mir zeichnend vorzustellen, was diese menschen als letztes sahen: die strassenschlucht, den sog, den fluchtpunkt in der strasse. in den tod springen der letzte aber autonome beschluss wirklich das autonome das eigene die letzte persönliche entscheidung gegen den terror, das individuelle neutralisieren eines selbstmordattentats durch freitod? die fallhöhe. das fallen mir zeichnend vorstellen.

die sicht der piloten, die diese flugzeuge manövrierten, in die türme flogen entsprach der sicht meiner früheren jugendlichen riesenzeichnungen, träumend gleiten und fliegen über landschaften und städte. 9/11 ein horror gewordener traum. 2005 MUSS ich die perspektiven, fluchtpunkte, horizonte, standpunkte der anderen zeichnen, anders zeichnen vom boden her, vom turm springenden her, von den kreisenden helikoptern her schauend. ich muss nicht nur es zwingt mich. es zwingt mich über alles zeichnend neu nachzudenken. älter sein zwingt mich meine alten arbeiten neu zu denken. meine alte traurige mutter zwingt mich. meine schweigende schwester zwingt mich, ich muss darüber denkend zeichnen. ich muss zwingend nochmals über perspektiven nachdenken.

 

meine juden sind meine juden die mir genauso fremd sind wie alle menschen wie alle wie alle famillien wie alle gruppen wie alle freunde wie alle freundinnen. sie sind aber meine juden und nicht unsympatisch zu finden, niemand soll sie in meiner umgebung unsympatisch finden dürfen niemand soll jemand oder andere so einordnen, als ganzes unsympatisch finden dürfen, als volk, als stamm, als rasse, niemand soll in meiner umgebung das finden oder machen oder sagen dürfen niemand soll meine juden als meine juden bezeichnen dürfen ausser mir. niemand soll juden juden nennen ausser mir oder juden nur juden dürfen sich selbst unsympatisch finden mir meine juden nur ich dürfte mich selbst finden.

wie ich das verabscheue hasse, wie ich das hasse und besonders wenn ich es selbst sage hasse ich das dieses einordnen. besser viel besser viel viel besser ist es alle menschen fremd zu finden ich empfinde eigentlich alle als fremd weder so noch so sondern fremd, immer. das ist der bessere zustand ein zustand eine befindlichkeit des betrachtens beobachten sehen. ein zustand der ständigen bewegung des sehens, ein fliessender zustand des sehens, immer.

trotzdem sind meine juden meine juden, meine juden sind sie, eine zugehörigkeit gefühlt nicht gelebt, ein gefühl der zugehörigkeit, ein gefühl des dazugehörens ohne alltag ohne auswirkungen ohne gemeinschaft ohne dazuzugehören. notfalls, vielleicht, aber aber vielleicht nicht gehöre ich lieber zu den unsympatischen juden als zu den sympatischen anderen, zu den anderen die sich als sympatisch zu definieren scheinen, offensichtlich sympatisch sich sehen zu sein scheinen im gegensatz zu den von ihnen bezeichneten unsympatischen meinen juden, offensichtlich.

 

 

überdachte fluchtwege

 

jedesmal wenn ich über die vorhergehenden texte nachdenke habe ich ein gefühl des schlechten, gefühl des nicht wahren oder des nicht-wirklichen, unwirklich weil mit worten der versuch etwas zu erwischen, und trotzdem das gefühl dieses erwischen, ein spezifisches erwischen nur mit schreiben vollbringen zu können. ein heranschleichen. ein verdichten, ein herausschreiben, schreiben als zwischentechnik, als verfahren zwischen bild und klang, durch den fluss des schreibens eher klang, durch das füllen der blätter eher bild. aber die inhalte erwische ich genausowenig wie beim zeichnen/malen/fotografieren. oder wie ein patient der waldau am fernsehen sagt: -bim mole ischs problem was molsch…-

bim schribe ischs das problem was schribsch, was und welcher klang + rhythmus. meine juden sind meine juden ist ein wie weniger ein was ich kann meine juden erträumen, träumen. ich kann im ähnlichen verfahren wie träumen malen. ich kann etwas intellektueller kommmentarweise träumend zeichnen. schreiben ist noch etwas intellektueller kommmentieren hirnmässiges trainieren und nimmt vielleicht möglicherweise am ende möglicherweise alles durch definieren weg, vernichtet die verdichtung des träumens. weil ich aber auch in sätzen + worten träume, könnte ich sätze + worte träumenderweise als verfahren verdichten.

 

ein computerzufall hat mich zu dieser hand-blsft.-gummi-schreibweise geführt. ich nehme ein heft beim reisen mit. von hand schreiben ist schnell, ich kann wörter + sätze rasant weggümmeln und lese meine texte anschliessend nicht. aber die bleistiftnähe zum zeichnen ist erschreckend nahe und doch kein zeichnen, ich würde niemals unterwegs im zug und draussen oder so zeichnen, weil zeichnen ein intimer vorgang ist. schreiben von hand aber ist es nicht. niemand sieht etwas ausser unlesbare nur für mich lesbare zeichen. dieses nichts ist das schöne am schreiben dieses schreckliche nichts, dieses nichtige ist das schöne des schreibens in so ein heft schreiben ist nichts.

wahrscheinlich möglicherweise vielleicht ist auch kunst nichts. der gegenstand, das übriggebliebene ding, das bild, dieses etwas das da vor sich hin nichtet ist ein widerspruch der mich mein leben lang beschäftigt, der mein leben bestimmt, ich trage mit stolz die verantwortung meines herstellens von nichts, nichts herstellen ist das beste was heute getan werden kann, nichts ist das gegenteil von vernichtung, nichts ist eine kampfansage gegen vernichtung.

 

 

überdachte fluchtwege

 

selbstmord, suizid, selbsttötung, selbstmordattentat, freitod, die selbstmordschwestern, (the virgin suicides), jean améry, die hand an sich legen, freitod. freitod ist mein schönstes wort. freitod ist freiwillig frei gewählt frei autonom. frei gebe ich mir den tod, ich lade den tod ein mich zu beenden ich denke meinen tod ich handle meinen tod ich plane mein sterben ich töte mich selbst ich habe genug gelebt freitod der schlusspunkt des individuums, mir selbst, des selbst, ich selbst wähle, die gründe sind unwichtig, die möglichkeit des wählens, vielleicht wählen, das entscheiden, nur ich, ich allein entscheide, die wahl, der entscheid, entscheiden, handeln, ich, das letzte mal, entscheiden, allein entscheiden, aus der summe leben individuell einsam allein entscheiden, aus der summe meines lebens entscheiden, scheiden, nur ich ich nur ich. das gegenteil des selbstmordattentäters, der in einer höheren macht aufgehend sich selbst entleibt, entleibend unschuldige in den tod wirft menschen die nicht gewählt haben menschen unschuldige nur schuldig des menschseins in den tod reisst sie der schuld des menschseins selbstherrlich im namen eines grösseren herrn bestraft für ihr menschliches fehlerhaftes schuldiges sündiges dasein menschsein ichsein. herrlich, selbstherrlich sich selbst und andere entleibt, sich des leibes entledigt der ihn zum fehlerhaften menschen macht, sich entleibend den beweis glauben machen zu müssen dass es individuen mit anfang mit geburt und ende mit tod nicht gibt meint beweisen zu müssen selbstherrlich zu beweisen dass es durch seine tat eine göttliche macht gäbe, die das werfen der menschen in den tod rechtfertige, der höheren macht dem höheren sich unterordnend glaubt der attentäter für alle das richtige zu tun er bestimmt was alle zu tun haben im namen einer macht die ihn selbst zum nichts zum werkzeug zur maschine zur waffe degradiert hat. in seiner vernichtung vernichtet er alle, alles was ist, was so ist. was so sein will wie es halt ist. was ist. was sein könnte. er glaubt zu wissen, dass sein tun im jenseits belohnt wird. seine höhere macht verkauft ihm seine handlung, seinen selbstmord, das selbstmordattentat als ziel seines lebens, als aufstieg aus seinem unklaren, unperfekten, lähmenden, armen sein, sein unfertiges, ärmliches, gefühlsgeworfenes, geworfenes, asoziales sein ins sozial anerkannte. seine macht arbeitet an ihm, mit ihm an seiner perfekten ausbildung zur tödlichen waffe, arbeitet mit ihm, an ihm zu seiner existenziellen auflösung hin als sozialen akt, als soziale tat, sein selbstmord als soziale tat die allen zugute kommt, allen gut tut, seine macht arbeitet an ihm und mit ihm und solange bis er ein vollkommen perfektes nichts ist, ein gefäss, das glaubt, dessen einziger inhalt der glaube daran ist, dass er als vollkommenes nichts nach seinem tod zum mythos wird märtyrer einer sache eines glaubens einer ideologie, sein vollkommenes nichts, sein geformtes, vollkommenes nichts ist die coole perfekte tödliche waffe seiner machthaber.

 

 

überdachte fluchtwege + herzlose famillie + die selbstmordschwester

 

ich werde nicht über meine schwester schreiben ich schreibe meine schwester nicht, ich beschreibe meine schwester nicht aber vielleicht meine traurige mutter meine mutter die während der ganzen fahrt vom weekendhaus nach hause versuchte aus dem wagen zu springen. jedesmal wenn sie anfing die autotüre während der fahrt zu öffnen hielt ich sie heftig von hinten mit meinen starken jugendlichen armen fest, umarmte sie kräftig von hinten ich umarmte sie von hinten während mein vater stur verbissen rasend schnell so schnell er konnte nach hause fahren wollte die situation so schnell wie möglich beenden wollte dieses verzweifelte schreien fragen schreiende fragen angreifen fragen meiner mutter nach dem sinn des lebens und greifen immer wieder greifen nach der autotür. keine ahnung warum mein vater nicht einfach hielt vielleicht wahrscheinlich wären sie übereinander hergefallen wahrscheinlich wär’s noch länger gegangen bis er diese frau seine frau meine mutter endlich endlich hätte in der klinik abgeben können endlich endlich nicht mehr diese verzweiflung endlich dieser situation entronnen sein können mein vater hatte so das steuer in der hand immerhin das steuer umklammerte er verbissen verzweifelt fahrender vater während ich wieder meine mutter von hinten mit meinen kräftigen jugendlichen armen umklammerte damit sie sich nicht aus dem fahrenden auto stürzte. keine ahnung ob meine schwester neben mir sass, meine kleine schwester weil jünger noch ein kind und uns erwachsenen verzweifelt herzlosen erwachsenen zusah. keine ahnung ich habe es wirklich und vollständig und herzlos vergessen. ich habe sie ganz einfach vergessen. ich war dermassen darauf konzentriert fokussiert auf die bewegungen meiner mutter spezialisiert darauf sie zu beobachten zu beobachten was für bewegungen sie machte damit ich ihr aus dem fahrenden auto springen jugendlich verhindern konnte von hinten mit meinen kräftigen armen, dass ich vollkomen vergessen habe ob meine kleine schwester neben mir sass. ich sehe sie auch heute beim schreiben nicht neben mir im auto sitzen, keine ahnung obwohl sie eigentlich dasitzen müsste logischerweise sehe ich sie nicht keine ahnung und auch dieser schreibfluss lockt sie nicht hervor, fliesst sie nicht hervor ich sehe sie nicht sie hat keinen platz in dieser situation herzlos wenn ich sie gesehen hätte vielleicht hätte ich vielleicht vielleicht etwas anderes getan als meine vielleicht aus dem wagen springende mutter halten vielleicht wenn ich meine kleine schwester gesehen hätte falls sie neben mir gesessen hätte hätte ich sie in meinen starken jugendlichen armen gehalten hätte meine kleine schwester vor diesen schrecklichen erwachsenen diesen herzlosen erwachsenen mit meinen kräftigen armen geschützt ihr die ohren zugehalten vor diesem geschrei dieser herzlosen erwachsenen dieser verzweifelten an sich selber verzweifelnden hilflos herzlos handelnden menschen. keine ahnung ob meine kleine schwester neben mir sass. ich sass rechts hinter dem beifahrersitz und links von mir weiss ich nicht will kann ich nicht sehen und keine ahnung, herzlos musste ich mich in diesem dschungelkampf konzentrieren extreme konzentration war meine überlebensmöglchkeit, kampfkonzentration. keine ahnung wo meine kleine schwester war.

 

arzt: -zeichnen Sie besser wenn Sie glücklich oder wenn sie unglücklich sind?-

patientin: -wenn ich unglücklich bin.-    (klinik waldau)

 

 

überdachte fluchtwege

 

wie ich hasse zu früh aufzuwachen sofort dieses schreiben in meinem kopf früh düster düstere wörter + sätze die sich schreibfertig aneinanderreihen, reihen, serien von sätzen + wörtern fest in meinen kopf gesungen, klang in meinem kopf, klangkopf, im kopf bleibend, perfektes schreiben, gesang, perfekt, in seiner reihenfolge in seinen notenfolgen in seiner schöneit, aber aber aber in diesem klangkörper klangkopf bleibend, steckend durch die düsternis des zu frühen, eben nicht traumbild erinnert, sondern schreibklang liegend mit dem klangkörper kopf perfekt ausgeführt, musiziert mit wiederholungen, trillern, cluster aber aber düster immer in inhaltlich düsteren wörtern + sätzen inhaltliches elend vertont klangkörper als begleitung, als hintergrundmusik als musak unerträglich manchmal vielmal aber aber auch hinweis auf mögliche verfahren. was für ein glück dass mein computer kaputtgegangen ist und mich dazu zwingt von hand mit dem blsft. + gummi + spitzer so zu schreiben was für ein glück zufallsglück das mich zwingt von hand zu schreiben eine bewegung zu vollziehen die dem zeichnen einerseits nah, dem geigen andrerseits nah ist mir näher als das feine hämmern klopfen streicheln der tastatur des computers. schreiben von hand mit dem blsft. wiedergibt den klang meines kopfes schreiben von hand erzeugt den ton/klang/sound meines denkens meines gefühldenkens es ist der klang der art meines denkens.

 

 

überdachte fluchtwege

 

ich nehme an menschen die sich von gebäuden stürzen fallende menschen sehen ihre umgebung nicht. die strassenschluchten plätze die anderen gebäude von oben sehen sie nicht. die menschen die sich vom WorldTradeCenter stürzten die fallenden menschen die sich fallen lassenden menschen handelten panisch verzweifelt stürzten sie aus den fenstern flüchtend vor den flammen dem feuer ihre entscheidung war verbrennen verkohlen oder stürzen hinunterstürzen fallen aufprallen mit diesem feuchten geräusch das ich im film im dokument der 2 jungen französischen filmer das erste mal hörte. als zuschauerin zuhause hörte ich dieses platschen das feuchte platschen geräusch hörte ich zusammen mit den feuerwehrmännern ich hörte diesen feuchten klang zuhause den feuerwehrmännern zuschauend die in diesem film in der halle des einen turms immer wieder lauschend den geräuschen des angegriffenen turms folgend anweisungen gaben und erst allmälich zu begreifen schienen dass dieser feuchte ton das aufprallen der körper der stürzenden fallenden menschen auf das vordach der eingangshalle des turms des WorldTradeCenters war, der, wie ich zuschauend den film zu hause anschauend 1 jahr später schon wusste im gegensatz zu den feuerwehrmännern, bald einbrechen, in sich zusammenbrechen, zusammenfallen würde.

wenn auch die bilder, die ich 1 jahr zuvor life im fernsehen zusammen mit der ganzen fernsehschauenden welt gesehen hatte und der pfeifende dazugehörende immerzuhörende alarmton immer in meinem gedächtnis lagern werden, so war dieses feuchte geräusch der aufschlagenden körper der gefallenen herausgefallenen aus grosser höhe gefallenen ein klang später der eigentliche klang dieses desasters. diesen klang 1 jahr später zu hören der zurückhaltenden struktur dieses europäischen dokfilms folgend nur zu hören und nicht zu sehen, nicht sehen zu müssen sondern mir anhand dieses feuchten tons vorstellen zu müssen mir vorstellen zu müssen gezwungen zu werden was dieses geräusch hervorrief war erkenntnis, mein erkennen von 9/11, von jetzt, von heute, von zeitgenossenschaft. ich arbeitete immer im wissen dieser ablagerung mit dem gefühl klanggefühl von sich irgendwann später irgendwie zeigender veränderung. dieses geräusch, dieses soundentsetzen musste sich zeigen. ich musste absolut wirklich diesen ton, diesen klang, speichern. diese grauensmusik. dieses unbewältigbare, feuchte, dumpfe geräusch, dieses platschen.

schreiben ist ordnen. im zug schreiben in zügen schreiben fahrend schreiben ist ein gleitendes ordnen. beim fahren durch gegenden, gelände, landschaften, städte zerfliessen horizonte, fluchtpunkte, standorte. perspektiven verschieben sich durch das rasen so schnell, dass ich diese raumnetze in meinem kopf laufend neu zusammenstellen muss beim herausschauen ins gelände. beim schreiben in fahrenden zügen. melodie, gesang.

 

 

überdachte fluchtwege

 

neu das stricheln streicheln zeichnen mit blsft. wiederholen mit härteren weicheren bleistiften drüber stricheln kreuzen ohne zu vergessen die perspektive den horizont den fluchtpunkt und das darzustellende gelände, herumstehendes herumliegendes unklares herumlaufendes. stricheln tönt, besonders wenn der blsft. über einen widerstand wie den rand des blattes fährt. stricheln ist im feineren dasselbe wie früher hauen schlagen der kreidestücke am boden auf diese riesenpapiere, stricheln ist konzentration, gefühlsdenken, hand – + kopfperformance. stricheln ist klang.

 

ich denke an die kreise meiner mutter an die ähnlichkeit im vorgehen verfahren: sie zeichnet drückt mit farbstift immer wieder schicht über schicht strichelnd. ihre kreise die farbe wird durch das feine stricheln konzentriert verdichtet und ihre kreise sind aussage von konzentrierter arbeit. sie zeichnete in ihrem zimmer in der psychiatrischen klinik ihre kreise, zuerst zerfahren, dann allmählich sich verdichtend zu kompakten kreisen, leuchtend, farbig, diese kreise zeigen mir die möglichkeit meiner mutter die möglichkeit und die tragödie meiner traurigen mutter. es ist meiner traurigen mutter unmöglich an sich selbst zu glauben, es ist ihr unmöglich ganz und gar wirklich nicht möglich sich ihre kreise als arbeit kunst vorzustellen, sie wertet kunst als das höchste und ihre kreise und ihre kreise daher wertlos und ihre kreise daher nichts, beschäftigung, nichts. meine traurige mutter sehr dermassen hat meine traurige mutter dermassen extrem sehr hohe ansprüche an sich selbst und an alle, bewertungen die sie niemals nie erreichen erfüllen kann, wird, unerreichbar alles, alles durch ihr wollen unerreichbar macht, vernichtet durch ihre ansprüche, so dass vielleicht allenfalls diese lebensnotwendige konzentration auf ihre kreise übrigbleibt und sogar, obwohl, weil ihre arbeit an ihren kreisen lebensrettend, lebenswichtig, lebensnotwendig schön ist bleiben für sie diese verdichtenden lebenskreise nichts, unwichtig, wertlos, wegzuwerfen. keine ahnung, warum meine traurige mutter fest an diese bewertung glauben muss.

meine wilde mutter glaubt gar nichts, sondern weiss, instinktiv, wild, musikalisch, dass sie künstlerin ist, meine wilde mutter zum glück meine wilde mutter instinktiv wild zeichnet sie in der psychiatrischen klinik und auch sonst ihre kreise meine wilde mutter zeichnet ihre kreise wenn sie sich einsam fühlt instinktiv zeichnet sie gegen die welt instinktiv weiss sie wild um die wichtigkeit von konzentration auf eine zwecklose arbeit zwingend zwanghaft gegen zwänge auf eine arbeit des ausdrucks. meine traurige mutter glaubt, dass ihre traurigkeit mit ihrer instinktiven wildheit zusammenhängt, traurigkeit aus ihrer wildheit, ungezähmt, stammt, glaubt, dass ihr instinkt, wild, ungezähmt, schuldig ist an ihrer traurigkeit, schuld, weil immer wieder hervorbrechend, wild, bös, schön, instinktiv, ungezähmt, erfinderisch. ihre möglichkeiten sind nur zu vereinen in ihren schönen kreisen in diese verdichtete zeichen, in reale verdichtete zeichen, in mögliche bilder ihres lebens, ihrer möglichkeiten, einer fluchtverdichtung auf einfache kreise beschränkt, diese kreise ihre mögliche noch machbare aussage meiner traurigen mutter.

 

eigentlich aber wirklich eigentlich wollte ich über mich schreiben wollte über meine arbeit mein arbeiten schreiben und vergleichen eigentlich mich vergleichen mit meiner mutter wirklich sehen im vergleich wer ich war und wie ich arbeite im vergleich zu meiner mutter mit meiner mutter vergleichen unterscheiden im vergleich vergleichen als gefühl mich mit meiner mutter vergleichen ähnlich finden als gefühl als wildes soundgefühl von ähnlichkeit von verwandtschaft von mutter zu tochter erbschaft des gefühls von arbeiten geerbte möglichkeit geerbte verfahren ausgeführt über das mögliche hinaus, über die möglichkeit hinaus, geerbte verfahren der arbeit, von arbeiten. nicht als möglichkeit nur sondern als dasein, sondern jeden tag, sondern mein leben lang. ich erbe ihr können, nicht ihr leben. ich als ich. ich erbe ihr können ohne sie. ich erbe ihr wildes können. ich bin ihre brut, sie meine tiermutter. ma vieille, ma chérie, mon bébé.

 

 

miriam cahn   2005